Konformität, also das Anpassen des eigenen Verhaltens an das (erwartete) Verhalten innerhalb einer Gruppe ist eine unglaublich starke Komponente, wenn es um das Treffen von Entscheidungen geht. Herdenmentalität, Mitläufereffekt, wie auch immer es verhaltenspsychologisch erklärt wird: dahinter steckt die Kraft der Gruppe, die es für eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe scheinbar nötig macht, nicht aus der Reihe zu tanzen und das Gleiche zu machen wie alle anderen.
Ich merke selbst wie unglaublich stark Konformität wirkt, denn natürlich fühlt man sich wohler, wenn man ähnliche Entscheidungen trifft wie die Kohorte in der man sich bewegt und die eigenen Handlungen bestätigt sieht.
Auf der englischen Wikipedia-Seite findet sich folgendes Zitat zum Thema:
„The bandwagon effect comes about in two ways in financial markets. First, through price bubbles: these bubbles often happen in financial markets in which the price for a particularly popular security keeps on rising. This occurs when many investors line up to buy a security bidding up the price, which in return attracts more investors. The price can rise beyond a certain point, causing the security to be highly overvalued. Second is liquidity holes: when unexpected news or events occur, market participants will typically stop trading activity until the situation becomes clear. This reduces the number of buyers and sellers in the market, causing liquidity to decrease significantly. The lack of liquidity leaves price discovery distorted and causes massive shifts in asset prices, which can lead to increased panic, which further increases uncertainty, and the cycle continues.“
Wikipedia-Artikel: Bandwaggon-Effect
Es zeigt sich also, dass beim Investieren in Aktien durch Herdenmentalität und gleichförmiges Verhalten von Investoren, Blasen entstehen können. Hier zeigt sich also, dass Herdenmentalität negative Auswirkungen haben kann.
Insgesamt ist es aber wohl eher so, dass man durch die Konformität der Gruppe in seinem Handeln bestätigt wird. Und dieser Wohlfühleffekt ist sehr positiv und nicht zu unterschätzen. Wer also gesellschaftskonform scheitert, wird dadurch mehr Unterstützung und Verständnis bekommen, als bei nicht-gesellschaftskonformem Scheitern. Ich möchte ein Beispiel geben: wer sich eine Immobilie kauft, der handelt gesellschaftskonform. Jeder wird ihm auf die Schulter klopfen und sagen, dass es ein gutes Investment ist. Wenn nun durch eine Flutkatastrophe das Haus weggeschwemmt wird und keine Hochwasserpolice vorliegt, so muss in Extremfällen Privatinsolvenz angemeldet werden. Das Wert des Assets ist auf null gefallen, der Schuldendienst ist weiter zu leisten, gleichzeitig muss eine Wohnung angemietet werden. Viel Mietgefühl und möglicherweise auch Hilfe wird dem Menschen entgegengebracht werden. Aber was passiert, wenn ich einen großen Teil meines Geldes mit Aktien verlieren werde? Ich denke, im besten Fall bekommt man etwas Mitgefühl; wahrscheinlicher ist wohl Kopfschütteln begleitet von Ungläubigkeit darüber, dass man so blöd war, sein Geld in Aktien anzulegen. Die Frage ist also: sollte ich gesellschaftskonformes Mittelmaß anstreben oder nicht-gesellschaftskonforme Individualität? Wie kann ich nicht gesellschaftskonform handeln und dennoch nicht scheitern? Tim Ferris sagt:
When I am choosing a project, I would typically be looking for something that would help me develop skills […] so that even if [the project] fails by external metrics, I would win long-term. […]
Tim Ferris im Podcast „Hotel Matze“
If you see something as a project, then generally the project succeeds or fails. If you are doing it as an experiment, you’re getting feedback, you’re testing a hypothesis. So, psychologically it is easier for me to take risks if I see it that way. There is no failure or success in an experiment. […] And that is very freeing.
Wichtig ist jedoch zu beachten, dass auch sogenannte Experimente nicht komplett scheitern und zu keinem ökonomischem oder persönlichen Desaster führen, sondern auch noch Alternativen nach dem Scheitern existieren:
Ist das Scheitern für mich ok? Dann machen! […] Das Leben so aufstellen, […] dass der Plan B auch ok ist. Dann kann man mit viel mehr Freude das Ding ausprobieren. Dieses Abwägen – was funktioniert, was funktioniert nicht, dass schafft man doch eh nicht. […] Die ersten zwei Jahre meiner Promotion haben wir in Spanien gelebt. […] Wenn es scheitert, dann hast du wenigstens Spanisch gelernt in der Zeit. […] Den Job [später] habe ich dann nur bekommen, weil ich Spanisch spreche.
Andreas Beck im Gespräch mit Tim Gabel