Der Titel des Buches von Susan Levermann lautet: der entspannte Weg zum Reichtum! Nichts leichter als das denkt man sich vielleicht, wenn man das Buch gelesen hat. Ein paar Kriterien auswerten, Aktien mit Pünktchen bewerten, kaufen, Gewinne einkassieren, verkaufen, reich sein, easy! 🙂 Aber die Realität ist eben anders: Aktien, die man gerade gekauft hat, fallen. Crashpropheten reden von sich auftürmenden Schuldenständen und dem drohenden Kollaps des gesamten Wirtschaftssystems. Negative Schlagzeilen überall!! Hat man eine Aktie gekauft, glaubt man, dass eine andere vielleicht doch besser gewesen wäre. Zudem liegt man vielleicht mit der Strategie hinter den Indizes und fragt sich, warum man so blöd ist, obskure Aktien zu handeln anstatt auf scheinbar todsichere Trends wie Cannabis, Biotechnologie, Elektromobilität und Wasserstoff zu setzen.
Meine persönliche Erfahrung ist: die Strategie ist nur der entspannte (und auch langfristig durchhaltbare) Weg zum Reichtum, wenn man verstanden hat, warum die Strategie funktioniert und warum man glaubt, dass sie langfristig anderen Strategien überlegen ist. Ich glaube, dass eine Strategie bei der man konstant gegen seine eigenen Gefühle kämpft, nicht durchhaltbar ist. Gewissermaßen denke ich, dass man eine gewisse Kongruenz oder Resonanz mit der Strategie entwickeln muss – ich lebe die Strategie und ich könnte sie nach außen verkaufen.
Was meine ich mit dem Konzept der Resonanz?
Ich beziehe mich auf die Tatsache, dass Handel gegen eigene Überzeugungen zu einem Gefühl starker kognitiver Dissonanz führen können – eigenes Empfinden und Denken einerseits und das Handeln andererseits sind bei kognitiver Dissonanz nicht miteinander vereinbar. Dies ist eine Zeit lang aushaltbar, aber eben nicht dauerhaft. Weil oft äußere Umstände nicht verändert werden können, ist der finale Schritt, sein Handeln so anzupassen, dass kognitive Harmonie hergestellt wird. An einem Beispiel möchte ich das erläutern: Person X hat keine Aktien und ist der Überzeugung, dass diese fallen werden, weil eine Rezession droht und die Welt hochverschuldet ist. Nun steigen Aktien. Sie steigen weiter. Sie steigen weiter. Person X bleibt bei der Überzeugung. Zeitungsartikel berichten vom Aufschwung und von steigenden Börsenkursen, Person X bleibt weiter an der Seitenlinie. Doch irgendwann wird die Diskrepanz zwischen den beiden Welten so groß, dass man nicht anders kann als die Aktien zu kaufen. So nährt die Hausse die Hausse und auch die letzten Zögernden steigen ein. Gleiches gilt bei einer einsetzenden Abwärtsbewegung; erst wird die Überzeugung aufrecht gehalten, dass Aktien gut sind. Erst wenn es viel zu spät ist, werden alle Aktien verkauft, Erleichterung macht sich breit, dass man final aus dem spekulativen Kram wieder ausgestiegen ist – man stellt wieder Harmonie her. Was macht man anders, wenn man mit Strategie handelt? Handelt man mittels einer Anlagestrategie, so ist man nicht grundsätzlich vor diesen emotionalen Fallstricken gefeit. Allerdings ist das Handeln regelbasiert, wodurch man klare Leitplanken erhält, die Emotionalität aus dem Prozess herausnehmen und an denen man sich festhalten kann. Wichtig ist, sich bereits vor dem Durchführen einer Strategie zu fragen, warum die Strategie so funktioniert wie sie das tut und wo Fallstricke lauern könnten.
…Aber warum nicht ohne Strategie, wäre das nicht noch entspannter?
Im Abschnitt oben habe ich versucht aufzuzeigen, dass ein klarer Prozess hilfreich ist, Entspannung reinzubringen auf emotionaler Ebene. Aber ich habe den Eindruck, dass viele glauben, dass man auch einfach ein paar Aktien auf gut Glück kaufen kann und es dann wird das schon mit den Gewinnen; man braucht nur ein bisschen Glück – ganz entspannt also. Es gibt in meinen Augen wenige Disziplinen bei denen ich denke, dass Glück und Können derart verwechselt werden wie beim Investieren. Woran liegt das? Ich denke es liegt einerseits daran, dass jeder das eigentliche Kaufen einer Aktie beherrscht. Es wird also oft nicht gesehen, dass es etwas anderes ist, einfach auf den Knopf zu drücken oder ob man auf den Knopf drückt, weil man sich reichlich Gedanken gemacht hat. Kaum einer würde auf die Idee kommen zu glauben, dass man Schachweltmeister werden kann, nur weil man in der Lage ist, Schachfiguren übers Brett zu schieben. Aber der Vergleich hinkt auch. Schach ist ein deterministisches Spiel – es gibt keine Zufallskomponente und jeder verfügt über die gleichen Informationen, wären Teile des Spielfeldes des Gegners nicht sichtbar, so wären Informationen asymmetrisch verteilt. Vergleichbarer mit Investieren ist beispielsweise Pokerspielen – als Spieler kennt man nicht die Karten des anderen, diese sind verborgen, nicht allen Spielern liegen die gleichen und vor allem nicht alle Informationen vor. Je weniger deterministisch ein Spiel ist, desto stärker überwiegt eine Glückskomponente. Aber im Poker wie auch beim Investieren gilt: es macht Sinn, eine probabilistische Herangehensweise zu haben. Wer also nicht nur auf Glück baut, sondern versucht über die Wahrscheinlichkeit des Eintritts bestimmter Ereignisse Entscheidungen zu treffen, der hat in meinen Augen einen Vorteil.
Wir kehren damit zur Einleitung zurück und stellen uns die Frage: Ist es nicht wahrscheinlich, dass sich Elektromobilität durchsetzt? Warum also nicht darauf setzen? Die Antwort ist: weil andere das auch wissen! Und der Eintritt solcher Ereignisse (meist) schon in den Kursen eingepreist ist und diese entsprechende Vorschusslorbeeren erhalten. Weil auch Unternehmer wissen was wohl in den nächsten Jahren der todsichere Trend sein wird, versuchen sich hunderte Unternehmen in der gleichen Branche niederzulassen – und graben sich gegenseitig das Wasser ab. Am Ende bleibt wenig Gewinn für irgendjemanden. Am wenigstens meistens für kleine Privatanleger…
Und damit kehren wir wieder zur Levermann-Strategie zurück. (Scheinbar) der entspannte Weg zum Reichtum! 🙂