Finanzielle Freiheit… Und dann?

Finanzielle Freiheit bedeutet, seine gesamten Ausgaben ohne Arbeitseinkommen decken zu können. Das bedeutet aus Unternehmensgewinnen, Kursgewinnen bei Aktien und Dividenden oder aus Vermietungserträgen von Immobilien oder aus Zinserträgen. Wenn man mit anderen Menschen darüber spricht, wie viel Geld es benötigt, um finanziell frei zu sein, so werden meist enorm hohe Beträge im Bereich von mehreren Millionen Euro genannt.

Es gibt eine Studie, die herausgefunden hat, wie viel Geld man benötigt, um finanziell frei zu sein: Unter der Annahme, dass man ein Aktienvermögen breitgestreut in beispielsweise ETFs angelegt hat, so kann man davon ausgehen, dass man 4% seines Depots jedes Jahr entnehmen kann ohne dass einem jemals das Geld ausgeht (oder in mehr als 95% der Fälle, oder so ähnlich). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man etwa das 25fache der jährlichen Ausgaben angespart haben muss. Um diese Summen möglichst schnell zusammengespart zu bekommen, leben Menschen meist frugal, also möglichst sparsam; sie werden deshalb auch als Frugalisten bezeichnet. Einer der ersten und bekanntesten Frugalisten ist Mr. MoneyMoustache. Er ist mit 30 Jahren bereits „in Rente“ gegangen, hat einen eigenen Blog, schreibt über Frugalismus, sein Leben und was er mit seiner finanziellen Freiheit und damit verbundenen freien Zeit anfängt. Auch in Deutschland hat die FIRE-Bewegung (Financial Independence Retire Early) Fuß gefasst. Der in meinen Augen bekannteste Frugalist ist der Blogger Oliver, der den Blog frugalisten.de betreibt. Anders als Mr. MoneyMoustache arbeitet er immer noch, allerdings in Teilzeit. Das ermöglicht ihm auch jetzt schon, mehr Zeit mit Familie, Freunden und Hobbys verbringen zu können. Auf seiner Website stellt er einen Rechner zur Verfügung, mit dem man sich ausrechnen kann, nach welcher Zeit man – abhängig von Einkommen, Sparquote, (erwartbarer) Rendite und Entnahmerate – in Rente gehen kann.

‚Wann kann ich in Rente gehen?‘ – Rechner auf der Seite von frugalisten.de

Die entscheidende Frage ist doch: Was macht man, wenn man finanziell frei ist? Nicht mehr arbeiten? Hört sich vielleicht erst einmal verlockend an, aber die Frage ist doch, womit man gerne die Zeit zwischen Aufwachen und Schlafen gehen füllen möchte!? Ich glaube, dass es ohne Aufgabe, Ziel und auch Rhythmus schnell sehr fad im Leben werden kann. Vielleicht ist ein Job aber oft das Gegenteil: Stress, Zeitdruck, Verpflichtung, Trott. Silvio Castelletti schreibt in seinem Substack-Artikel „A Theory of Life“: „[…] But we’d stop working on a whim, if we could afford it. The very idea of work, no matter how fulfilling, is about something that we have to do. Work is a duty. How can we possibly feel fulfilled by something that we’d stop doing any minute, if we could?“ Ich finde es irgendwie irrsinnig, dass so viele Menschen jahrelang studieren, um anscheinend ihrer Passion zu folgen, um dann am liebsten sofort mit dem Arbeiten aufzuhören. Castelletti schreibt weiter „[…]“the reward for good work is more work”. […] Our objective would be to find things that we want to spend as much time as possible working on. Forget about money or fame or power or what have you: what would you do if the only reward for doing it were getting to do more of it? And you were perfectly content with that? That’s probably the best definition of true calling I stumbled upon.“
Ich meine, wenn letzte Woche Elton John mit 76 Jahren seine Abschiedstournee gibt, dann hat er das wohl eher nicht aus finanziellen Gründen gemacht. Sein Vermögen wird schließlich bereits auf etwa eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Er wird es wohl eher gemacht haben, um sich noch einmal lebendig zu fühlen, Lampenfieber zu spüren, den Applaus der Fans zu hören und seine Lieder spielen zu können.
Wenn man also nach finanzieller Freiheit sucht, dann sollte man sich wohl am ehesten Fragen: Was würde ich denn machen, wenn ich finanziell frei bin? Welche Tätigkeit gibt mir so viel Erfüllung, dass ich noch mehr davon haben möchte?! Und was kann ich vielleicht jetzt schon im Leben ändern, um mich diesem Zustand jetzt schon näher zu bringen…