Interview mit dem Fondsmanager Marc-Lennart Bräutigam

Marc-Lennart Bräutigam und Daniel Gehlen sind Gründer und Fondsmanager des Nebenwerte-Fonds Gehlen Braeutigam Value HI. In dem Fonds wird in unterbewertete europäische Qualitätsaktien investiert. Ich bin in dem Fonds investiert und war deshalb daran interessiert, mehr über die Fondsmanager, die Strategie, die Erkenntnisse der letzten Jahre und über Veränderungen im Fonds zu erfahren. Ich hatte die Chance Marc-Lennart Bräutigam persönlich zu einem Gespräch in Stuttgart zu treffen. Das Interview habe ich mit seiner Zustimmung aufgezeichnet und eine Abschrift erstellt. Viel Spaß beim Lesen!

Michael: Ihr habt derzeit 20 Millionen Euro Assets Under Management im Fonds. Ihr habt gesagt, dass ihr ab etwa 100 Millionen Euro ins Soft Closing oder Hard Closing gehen wollt. Wie schwer ist es jetzt schon, trotz jetzt drei oder vier Leuten, die ihr im Team seid, Outperformance zu erzielen? Merkt man, dass Kapitalallokation ab einem gewissen Betrag schwieriger wird?

Marc-Lennart Bräutigam: Das ist eine sehr gute Frage. Grundsätzlich braucht man aus meiner Sicht einen Vorteil oder eine andere Ausrichtung als die Benchmark, um Outperformance zu erzielen. Und wir haben damals am Anfang uns überlegt: okay, wie können wir mit unserer Kompetenz, unserem Know-How möglichst große Outperformance für uns – weil wir ja selber mit unserem ganzen ersparten Geld investiert sind – aber auch natürlich für unsere Investoren, erzielen. Der Grundgedanke war und ist es, sich auf einen Bereich zu fokussieren, wo man a) viele Möglichkeiten hat, also die Anzahl der Unternehmen sehr groß ist und gleichzeitig weniger (professionelle) Konkurrenz von Investoren-Seite unterwegs ist. Wenn man dort ganz viele Steine umdreht, dann findet man immer mal wieder was, was unserer Meinung nach fehlbewertet ist. Und langfristig profitieren wir dann davon. Aus den Datenpunkten heraus haben wir gesagt, wir fokussieren uns auf den Small- und Micro-Cap Bereich, wo wir – mit den Erfahrungen aus der Bank an Due Diligence, Bewertung von Firmen, Gesprächen mit Management etc. – die Möglichkeit haben, das Gelernte anzuwenden und vielleicht hier und da auch besser zu sein als der Wettbewerb. Das setzen wir in einem konzentrierten Portfolio um – um die Möglichkeit zu haben, besser als der Markt zu agieren. Das ist eine Möglichkeit, Outperformance zu erzielen, aber ich glaube, generell ist Alpha auch anders möglich. Ich würde dir auch gerne ein Beispiel nennen. Im November letzten Jahres haben wir angefangen uns die KSB genauer anzuschauen. Wir haben recht intensiv in kurzer Zeit daran gearbeitet und gemerkt, dass das a) zu illiquide und zu klein ist für die großen Investoren; sprich da schaut schon mal keiner drauf; und b) bei den kleinen Investoren haben wir gemerkt, dass jeder uns bekannte deutsche Small- und Micro-Cap-Spezialist grundsätzlich nicht draufschaut aufgrund der Historie, weil sie einen Steuerskandal in 2017 hatten, weil dann auch durch Covid nochmal die Zahlen nicht besser aussahen als in der Vergangenheit. Und dann haben wir uns eingearbeitet und mehrfach mit dem Management gesprochen und mit der Investor Relations Abteilung. Und da kam für uns heraus, dass KSB sich a) operativ in den letzten Jahren sehr gut aufgestellt hat, den Skandal sehr professionell aufgearbeitet hat und b) jetzt auf einem ganz anderen Runway ist, als der Markt es aktuell noch einpreist. Die Perception von der Company am Markt war, unserer Meinung nach, also komplett falsch. Und die Bewertung war absurd. Wir haben beim Einstieg etwa ein KGV von 5 bis 6 gezahlt. Dann kommt noch dazu, dass das Management die Story lange nicht kommuniziert hat. 2017 gab es einen Managementwechsel und einen Aufsichtsratswechsel nach diesem Skandal. Das Management hat angefangen, sich auf diesen Bereich zu konzentrieren und Fortschritte zu machen, aber hat es noch nicht breit kommuniziert. Das war der entscheidende Punkt.  Erst Anfang dieses Jahres war das Management das erste Mal auf der Unicredit-Frühjahrskonferenz. Jetzt auf einmal, wenn die Story kommuniziert wird und das Management sich entsprechend präsentiert, dann läuft auch die Bewertung in die richtige Richtung, dahin wo sie eigentlich auch sein sollte.

Michael: Du hattest gesagt, dass ihr bei Small- und Micro-Caps gute Investmentchancen findet, weil ihr dort eine so große Auswahl habt. Ihr habt euch aber trotzdem von vornherein eingeschränkt auf europäische Small- und Micro-Caps. Ihr hättet ja auch sagen können, ihr wollt den Kuchen noch größer machen in dem ihr sucht und auf der gesamten Welt nach Unternehmen suchen. Also meinetwegen sagt ihr, ihr wählt eher stabile Systeme, also vielleicht nicht China oder Zentralafrika. Aber vielleicht USA, Kanada, Japan, Australien, Malaysia, Singapur. Warum ist dann die Einschränkung da, wenn ihr sagt, dass ihr so einen großen Kuchen haben wollt aus dem ihr euch die Stücke rausschneiden könnt?

Marc-Lennart Bräutigam: Ja, gute Frage. Was am Anfang bei uns da relevant war, war, dass wir von unserer bisherigen Erfahrung, die wir gemacht haben, gerade im Beruflichen viel auf Europa fokussiert waren – auf den europäischen Aktienmarkt und europäische Unternehmen. Und auch von der Kapazität her überzeugt waren, dass es ausreicht. Aber das heißt nicht, dass man das nicht auch global machen kann. Also ich habe Kollegen von mir, die das sehr gut global machen und vielleicht auch noch unrestriktierter sind. Dafür haben sie einen geringeren Fokus und einzelne Märkte und Länder sind grundsätzlich sehr verschieden und die Erfahrung ist in der Hinsicht für uns ein großes Plus.

Michael: Jetzt hast du KSB als ein Beispiel angeführt, die lange günstig waren. Dann gab es die Informationen, die ihr gefunden bezüglich Management- und Strategiewechsel. Wie wichtig ist es für euch zu sagen, ihr habt einen Trigger, den ihr sucht. Denn günstige Werte gibt es viele im Micro-Cap-Bereich; selbst solche mit einem negativen Enterprise-Value. Gerade wenn man in Japan schaut, da ist die Kapitalallokation zum Teil schlecht, viel Cash wird gehortet. Aber die sind noch günstiger, rein von einer EV/EBIT-Bewertung. Also wie wichtig ist es für euch, zu versuchen zu antizipieren, dass es eine Veränderung des Marktes gibt, die Dinge anders zu sehen? Oder reicht günstig aus?

Marc-Lennart Bräutigam: Also nur günstig reicht auf gar keinen Fall aus. Was mit im Mix dabei sein muss, ist eine Firma, die qualitativ hochwertig ist oder die Möglichkeit hat, qualitativ hochwertig zu sein. Ein rationales Management und ein gesundes Balance-Sheet sind uns wichtig. Wenn das Geld über die Zeit vernünftig und im Sinne der Aktionäre allokiert wird, dann kommt der Wert auch bei den Aktionären an. Auch wenn das etwas dauern kann. Wir haben einen Horizont, der über ein paar Quartale hinausgeht. Und dann, wenn das erfüllt ist, wir sozusagen im Einklang mit den anderen Kriterien sind und dann auch noch der Preis passt, dann kann es ins Portfolio kommen.

Michael: Wie gut könnt ihr die Gelegenheiten, die ihr entdeckt überhaupt wahrnehmen? Wie sehr ist es dann so, dass wenn man selber die Chance sieht, dass dann die Information auch für den Markt bereitsteht oder der Markt es eben auch realisiert und man aufgrund des hohen Assets under Management Schwierigkeiten vorhanden sind, Positionen aufzubauen. Wenn ihr dann eine 10% Position aufbauen wollt in einem illiquiden Wert mit geringem Free Float. Wie einfach ist es dann, diese Chancen überhaupt wahrzunehmen, die man sieht?

Marc-Lennart Bräutigam: Das ist mit zunehmender Größe immer schwieriger, vor allem wenn du halt wirklich im Micro-Cap-Bereich tätig sein willst. Ganz am Anfang hatten wir mit 5 Millionen gestartet, da konnten wir alles machen. Mittlerweile mit 20 Millionen geht es schon gar nicht mehr bzw. willst du es vielleicht auch gar nicht mehr. Und wenn wir heute ein illiquides Unternehmen anschauen, dann suchen wir eigentlich nach einem Unternehmen, das auf absehbare Zeit, von einem Micro-Cap zu einem Small-Cap wird bzw. werden kann. Ich glaube es hat einige Vorteile, die Firma langfristig zu halten: dass man zum Beispiel einen vertrauensvollen Austausch mit Management aufbaut. Gerade wenn die Zeiten mal schwieriger werden oder wenn es mal vielleicht nicht so gut läuft, oder ein neuer Wettbewerber reinkommt, und du schnell auch entscheiden musst und schnell auch Zugriff brauchst, ist es glaube ich hilfreich. Wenn wir so zwischen 50 und 100 Millionen Euro AUM sind, dann können wir immer noch sehr viel machen und auch hoffentlich viel Mehrwert bieten.

Michael: Du sagst, die Strategie würde auch ganz gut mit 100 Millionen Euro noch funktionieren. Wenn du jetzt nur 100.000 € hast, würdest du in die gleichen Werte anlegen, die du jetzt im Fonds hast? Oder würdest du sagen, ich gehe noch eine Stufe niedriger? Für mich ist der Punkt: du willst nicht gegen die Hedgefonds konkurrieren, aber ich will nicht gegen dich konkurrieren. Das heißt, ich muss noch eine Stufe drunter gehen. Ich will mir die Nano-Caps, die Pico-Caps, mit einem Free-Float von vielleicht 5 Millionen Euro kaufen. Die kann ich immer noch mehr oder weniger liquide handeln, aber ihr könnt sie überhaupt nicht kaufen.

Marc-Lennart Bräutigam: Wir haben am Anfang überlegt: wo würden wir auch unser eigenes Geld reinstecken? Und sind dann im Endeffekt auf die Strategie gekommen. Deshalb glaube ich, grundsätzlich ja, würde aber natürlich nicht ausschließen oder würde die Frage dann so beantworten, dass wahrscheinlich zu großen Teilen ich auch in die gleichen Titel investieren würde, aber mit Sicherheit auch mal vielleicht noch einen kleineren Titel hinzunehmen würde oder auch höher gewichten würde. Weil das Thema ist natürlich auch wie gewichtest du die Titel? Und Illiquidität spielt da natürlich eine Rolle. Also wenn du dann in einer 40 Millionen Free-Float Company, wo 40.000 € Stücke umgehen am Tag, eine 2 Millionen Euro Position aufbaust, brauchst du ewig, da rauszukommen. Natürlich kann auch immer bei den Firmen was schiefgehen oder es zieht ein Investor Geld ab oder wie auch immer. Da muss man diese Risiken schon sehr eng im Blick haben. Von daher glaube ich, würde mein privates Portfolio wahrscheinlich in großen Teilen ähnlich, aber auch in kleinen Teilen anders aussehen. Gerade auch was die Gewichtung angeht.

Michael: Du hast vorher das Thema Management angesprochen. Wie einfach oder wie schwierig oder wie wichtig ist dieses Gespräch mit dem CEO oder CFO, der letztlich jedem auf einer Kapitalmarktkonferenz erzählt, was für ein tolles Unternehmen das ist? Letztlich sind die da oben, weil sie wissen, wie man eine Präsentation vorträgt. Die kennen die Standardfragen. Gerade vielleicht auch im Hinblick auf Positionen, wo es vielleicht nicht so gut geklappt hat, wo man dann vielleicht unterschätzt hat, was Preissetzungsmacht angeht; oder sei es Naked Wines, wo vielleicht irgendwie Sachen passiert sind, die man nicht erwartet hätte.

Marc-Lennart Bräutigam: Um direkt deinen letzten Punkt aufzugreifen, bei Naked Wines sind in der Tat Dinge passiert, die wir nicht erwartet hätten. Daraufhin gab es ja dann auch Veränderungen im Management und der Eindruck des neuen CFO ist sehr gut bisher. Zu Naked Wines haben wir bereits in unserem Letter to Partners ausführlich berichtet. Im Normalfall können die Vorstände ihr Unternehmen tatsächlich sehr gut präsentieren. Daher ist es für uns wichtig nicht einfach nur blind zu glauben, was man vorgetragen bekommt. Unser Due Diligence Prozess ist mehrstufig und Management Interviews sind nur ein Bestandteil davon. Wir sprechen bspw. zudem auch mit Experten aus den jeweiligen Industrien oder ehemaligen Mitarbeitern, die uns nochmal eine andere Perspektive geben können oder eben unseren Eindruck bestätigen können und uns auf neue Aspekte aufmerksam machen können. Grundsätzlich sucht man nach einer Person, die vertrauenswürdig ist; genug Erfahrung und Know-How mitbringt, in dem Bereich bestehen zu können und eine Firma langfristig, strategisch, aber finanziell auch gut aufzustellen. Und dann sucht man natürlich immer jemanden, der Ahnung von Kapitalallokation hat und dabei einen sehr guten Track Record vorweisen kann.

Michael: Woher weißt du besser als der Manager, dass das Kapital schlecht oder gut allokiert wurde? Woher weißt du, dass es jetzt sinnvoll war, die Buybacks zu machen und nicht stattdessen eine Dividende auszuschütten? Warum war es nicht besser, eine neue Fabrik irgendwo zu öffnen, anstatt anorganisch eine andere Firma zuzukaufen, mit der man versucht über Synergieeffekte Marge zu heben? Oder warum war es besser, die Fabrik zu öffnen, anstatt die Schulden zurückzuzahlen?

Marc-Lennart Bräutigam: Ein erster Anlaufpunkt ist natürlich der langfristige Track-Record der Firma und des Managements, sei es jetzt operativ oder natürlich auch der Aktienkurs bzw. der Total Shareholder Return. Und wenn dir ein Management gezeigt hat, dass es über einen längeren Zeitraum, ähnlich wie bei einem Fondsmanager, Wert schafft, dann ist das schon mal ein hilfreicher Indikator.

Michael: Genau, das ist aber rein quantitativ. Ich muss den Fondsmanager nicht mal sehen. Ich lasse einen Screener laufen und suche bei Unternehmen nach Revenue Growth, Bottom Line Growth. Eigenkapitalquote ist gut, keine Schulden, aber auch nicht zu viel Cash, weil es irgendwie ja blöd ist, wenn es nur rumliegt, dann hat man das Kapital schlecht allokiert.

Marc-Lennart Bräutigam: Ich lese die Annual Reports, schaue mir den Track Record an, schaue mir die Entscheidungen in der Vergangenheit an, beispielsweise was haben die gezahlt für irgendwelche Targets, warum haben sie eine hohe Cash Position, warum nicht. Und wenn du dann die Möglichkeit hast, mit dem Management zu sprechen, hilft es offene Fragen zu klären. Ich glaube sich wie du anfangs gesagt hast nur auf die Worte von jemandem zu verlassen, wenn du nicht ausreichenden Track-Record hast, wenn du nicht genug Fakten und Beweise hast, dass er auch so agiert wie er es sagt, hat dann schon auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für Fehler.

Michael: Wie relevant ist es für euch, wenn schon andere institutionelle Investoren investiert sind? Ist das für euch ein Zeichen, dass ihr sozusagen denen schon die Due Diligence ein bisschen abkauft?

Marc-Lennart Bräutigam: Ja, ich glaube es geht zurück zum Thema Ideengenerierung. Wie generierst du Ideen und wo kommen deine Ideen her? Und wir haben unser eigenes Mindset, unsere eigene Strategie, verfolgen die auch stringent. Aber wir haben auch über die Jahre Fondsmanager kennengelernt, die ein ähnliches Mindset haben wie wir. Bei denen wissen wir, dass wenn er oder sie etwas sehr spannend findet, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass wir das auch sehr spannend finden. Meistens investieren wir trotzdem nicht, da wir unsere eigenen Analysen haben oder auch andere Schwerpunkte setzen. Aber es gibt viele Ideen. Zum Beispiel haben wir den Investment Case zu Anima von einem anderen Fondsmanager gehört, mit dem wir regelmäßig im Austausch sind. Generell ist es ein offener Austausch mit vielen. Man versucht, sich zu unterstützen und auch sich gegenseitig zu helfen, Fehler vorzubeugen. Daraus sind schon einige Ideen entstanden. KSB ist auch ein Beispiel, wo ein befreundetes Family Office von uns gesagt hat: das sieht so günstig aus, schaut euch das mal an. Und dann haben wir uns halt eingegraben und die Arbeit gemacht. Es ist dann wie gesagt schon immer so, dass wir unsere eigene Due Diligence machen und auch im Detail noch mal alles checken, ob es wirklich passt für uns und ob der andere vielleicht nicht etwas übersehen hat oder vielleicht doch nicht die Zeit genommen hat oder wir dann doch andere Kriterien haben oder Ansprüche haben; vor allem auch, ob der Preis noch attraktiv genug ist für uns und so weiter, damit wir unsere erwartete Rendite erreichen. Aber das ist auf jeden Fall ein Teil der Ideengenerierung neben Screens oder dann einfach auch selber kreativ sein und überlegen, was könnte spannend sein. Zum Beispiel gibt es ja derzeit Verwerfungen am Immobilienmarkt und da sagen wir: lass doch mal den europäischen Immobilienmarkt screenen, ob es da nicht Unternehmen gibt, die gerade vielleicht zu stark unter Druck geraten sind oder zu stark abverkauft wurden. In dem Zuge haben wir jetzt auch wieder zwei Companies in UK gefunden, die wir spannend genug fanden, sie aufzunehmen. Das ist zum einen Mortgage Advice Bureau und das andere ist Property Franchise Group. Property Franchise Group ist aus meiner Sicht ein sehr gutes Unternehmen, insbesondere da über 60 Prozent der Umsätze wiederkehrende Franchise Umsätze sind. Der Markt ist noch sehr konsolidierungsbedürftig und da gibt es noch viel Raum für organisches und anorganisches Wachstum. Außerdem können sie die Marge weiter erhöhen und haben noch eine kleine „Growth Engine“ bei sich im Unternehmen versteckt.

Michael: Ihr investiert in illiquide Werte. Manchmal schaut ihr euch vielleicht zwei Unternehmen an, die am gleichen Markt agieren. Guillemot und Endor sind letztlich im gleichen Markt, wenn auch das eine Unternehmen vielleicht eher im hochpreisigen (Endor) und das andere eher ein bisschen im niedrigpreisigen Segment (Guillemot) agiert. Wie wichtig ist es manchmal, dass ihr den zweitbesten Titel auch ins Depot nehmt, um Liquiditätsrisiken zu hedgen? Also wenn ihr die eine Position sehr, sehr viel lieber habt, dann nehmt ihr die eine vielleicht mit sechs und die andere mit drei Prozent ins Depot. Die anschließende Frage wäre: ihr habt SAF Holland im Depot, habt ihr euch Jost Werke angeschaut und wenn ja, warum SAF Holland und nicht Jost Werke? Und warum nicht vielleicht genauso ein Doppelding wie bei Guillemot und Endor?

Marc-Lennart Bräutigam: Gerade so Doppeldinger, wie du sagst, machen wir eigentlich ganz gerne. Wir schauen uns sowieso immer dann, wenn wir auf ein Unternehmen aufmerksam werden, die Peers an. Deshalb waren wir auch ursprünglich in Jost Werke investiert, fanden das Stand-Alone ein sehr spannendes Unternehmen. Wir haben auch den operativen Fortschritt von SAF Holland in der Zeit sehr genau verfolgt. Die Aktie war immer günstiger, in der Vergangenheit gab es allerdings zu viele Fehltritte. Als Investoren glaubten, dass SAF Holland während Covid ein Leverage-Problem hatte, haben wir sie ebenfalls noch mit ins Portfolio aufgenommen: Das Unternehmen konnte sich gerade refinanzieren und das Geschäftsmodell ist dank des Aftermarket-Anteils grundsätzlich sehr stabil und profitabel, auch in sehr schwierigen Zeiten.

Michael: Wie ist der Austausch im Fonds-Team? Wie schafft ihr es Konsens bei Investmententscheidungen zu finden?

Marc-Lennart Bräutigam: Aus meiner Sicht ist es grundsätzlich wichtig, klare Vorgaben und eine gemeinsame Philosophie zu haben. Wonach suchen wir? Wonach suchen wir nicht? Damit sich jeder daran orientieren kann. Und dann ist es wichtig smarte Leute zu haben, die in der Lage sind, eine Position selber zu managen, zu recherchieren, aber gleichzeitig offen genug sind, sich dem Austausch und der Diskussion mit anderen zu stellen. Und dann glaube ich kann man von mehreren Mitgliedern profitieren. Es ist vor allem natürlich wichtig, mit Leuten zu arbeiten, denen du vertraust – ganz wichtig – und die vor allem integer sind, also die nicht versuchen, Shortcuts zu machen oder die nicht versuchen dich irgendwie zu hintergehen oder dir eine schöne Story zu verkaufen, nur damit sie dann was aufnehmen dürfen ins Portfolio. Und das muss alles grundsätzlich gegeben sein. Wir sind alle gleich incentiviert, sodass die Performance des Fonds immer an erster Stelle für jeden kommen muss. Das ist die Basis, auf der wir aufbauen.

Allerdings können auch mit mehreren Leuten Challenges aufkommen. Es kann in der Praxis dann schwierig werden, wenn zu viele Leute zu viel auf einen einreden und dann zu viele Fragen stellen und zu viele zusätzliche Informationen fordern oder einen zu viel challengen und dem anderen nicht den Freiraum geben, die Position zu monitoren und zu managen im Daily Business.

Michael: Wie hast du dich über die Zeit vom Privatanleger zum Fondsmanager als Investor weiterentwickelt?

Marc-Lennart Bräutigam: Als ich angefangen habe, privat auf Aktien zu schauen, das war noch in der Schulzeit und da war 2008/2009 die Finanzkrise ziemlich prägend, wo ich auf der einen Seite gesehen habe, was mit Firmen und Aktienkursen passieren kann, wenn so eine fundamentale Krise kommt und dass manche Firmen durch eine Krise relativ easy – selbst so eine Krise – die sich ja wirklich angefühlt hat wie das Ende der Welt, durchstehen und es andere Firmen gibt, die es halt nicht durchstehen oder hinten raus deutlich schlechter dastehen als noch davor. Und dann hatte ich auch damals schon relativ viel über Warren Buffett und die Philosophie des Value Investing gelesen. Und dann auch immer versucht, Value Investoren zu verfolgen, über zum Beispiel Seiten wie Gurufocus.com. Was machen die und was ist die These dahinter? Und da war zum Beispiel ein Investment, was ich dann verfolgt habe: Bank of America. Die sind natürlich extrem unter Druck gekommen in der Finanzkrise. Aber dann gab es einen prominenten Value Investor, der viele Videos und Analysen gepublisht hat zum Unternehmen. Und dann habe ich mir das alles angehört und angeschaut und gesagt: Ja, macht Sinn, da investiere ich jetzt mal Damals waren die Analysen recht oberflächlich und man gelernt was ist ein KGV, was ist ein hohes KGV, was ist ein niedriges KGV und so weiter und so fort. Aber so von der Tiefe und von den technischen Fähigkeiten bist du halt noch ganz am Anfang. Und dann kam die Investment Banking-Zeit, wo ich noch mal den Aktienmarkt aus einer ganz anderen Sicht kennengelernt habe, wo ich auch noch mal technisch dazugelernt habe und auch zum Marktgeschehen und vielen Themen Neues dazugelernt habe. Und dann ging der Fonds los und dann habe ich auch die letzten fünf Jahre noch mal viele Learnings mitgenommen. Und dadurch, dass man nicht nur die Verantwortung für sich selber hat oder für dein eigenes Geld, sondern natürlich auch das von anderen, hat man nochmal einen anderen Druck und lernst auch für dich selber noch mal was passt zu dir und was passt zu dir nicht und was passt zu deinen Investoren. Es geht dabei eigentlich immer auf die gleichen einfachen Prinzipien zurück. Du willst eine qualitativ hochwertige Firma mit einem guten verlässlichen Management und das zu einer echt attraktiven Bewertung

Michael: Das hört sich dann immer so einfach an: du kaufst einfach die Quality Company mit einem Abschlag zum fairen oder inneren Wert. Ganz am Anfang hast du gesagt, dass ihr euch zum Start des Fonds überlegt habt, was die Strategie ist, die sich von anderen abhebt, die sich von der Benchmark abhebt, die sich vielleicht damit auch von einem ETF abhebt. Denn der ETF ist letztlich die Benchmark auf eine gewisse Art und Weise. Jetzt nach ungefähr fünf Jahren, wenn man einfach nur auf die Performance schaut, muss man konstatieren: die ist in etwa da, wo die Benchmark ist. Was würdest du sagen, wie sehr hebt ihr euch mit eurem Prozess von der Benchmark ab? Und wenn ihr bisher kein Alpha generieren konntet, wo könnt ihr das Alpha generieren?

Marc-Lennart Bräutigam: Grundsätzlich haben wir aus meiner Sicht absolut die Möglichkeit, Alpha zu generieren. Ich sehe auch keinen Grund, warum wir es nicht machen sollten, warum wir nicht in der Lage sein sollten mit der Auswahl und dem Prozess, den wir verfolgen. Ich glaube, hätten wir das Gespräch vor anderthalb Jahren geführt, wäre das Fazit deutlich anders ausgefallen. Jetzt aktuell: it is what it is. Heißt aber nicht, dass wir nicht jeden Tag daran arbeiten, dass wir wieder eine deutliche Outperformance zeigen. Wenn wir aus gewissen Gründen überzeugt sind, dass wir nicht in der Lage sind, eine Outperformance gegenüber der Benchmark zu erzielen, dann müssten wir einen Schlussstrich ziehen. Es ist allerdings eben erst über einen ziemlich langen Zeitraum möglich, ein Management, einen Manager Track Record wirklich zu beurteilen. Deshalb glaube ich ist es noch zu früh. Und aufgrund des Prozesses und der Replizierbarkeit des Prozesses und aufgrund der Situationen, die wir finden und vor allem auch aus den Fehlern, die wir gelernt haben und der Erfahrungen, die wir gesammelt haben, glaube ich, dass wir in den nächsten Jahren sehr gut abschneiden können. Ich bin zuversichtlich, dass wir in ein paar Jahren wieder einen freundlicheren Blick auf den Track Record werfen können.

Michael: Nur weil ein Prozess replizierbar ist, heißt es nicht, dass der Prozess gewinnbringend ist. Das eine ist nicht die Folge des anderen. Aber ich kann verstehen, was du sagst. Vielen Dank für das Interview und deine Zeit! Es hat mir großen Spaß gemacht!

Marc-Lennart Bräutigam: Kein Problem, danke auch an dich. Tolle Fragen, auch mir war es ein Vergnügen!