Wann die Bewertung mittels EV/EBIT in die Irre führt

Eine Bewertung, ob Aktien teuer oder günstig sind, nehme ich meist anhand der Kennzahl Unternehmenswert (englisch: Enterprise Value, kurz: EV) im Verhältnis zum operativen Gewinn (englisch: Earnings before Interest and Taxes, kurz: EBIT) vor; also EV/EBIT. Der Enterprise Value wird so berechnet:

Enterprise Value = Market Capitalization + Market Value of Debt – Cash and Equivalents [Quelle]
Unternehmenswert = Marktkapitalisierung + Schulden – Cash

Um ein besseres Verständnis für den Enterprise Value zu erhalten, will ich den Enterprise Value von Unternehmen auf ein Äquivalent bei Immobilien übertragen.

Enterprise Value von Immobilien:
In der Tabelle unten versuche ich den für Unternehmen gängigen Begriffen, äquivalente Begriffe bei Immobilien zuzuordnen.

UnternehmenImmobilien
MarktkapitalisierungKaufpreis
Schulden – CashHausgeld
Unternehmenswert = Marktkapitalisierung + Schulden – CashImmobilienwert = Kaufpreis – Hausgeld
Äquivalente Begriffe – Unternehmen vs. Immobilie

Wann läuft die Bewertung mittels EV/EBIT ins Leere?
Ich will ein fiktives Beispiel mit Immobilien machen, um zu zeigen wann der Enterprise Value wenig Aussagekraft besitzt.
Nehmen wir an, ein Mehrfamilienhaus mit 5 Einheiten steht für 1.000.000€ zum Verkauf. Allerdings wird nicht alles verkauft, nur eine Einheit wird verkauft für 200.000€. Nehmen wir einmal an die anderen 4 Einheiten gehören nur EINER anderen Person. Und nehmen wir weiter an, dass sich noch 1.000.000€ in der Haushaltskasse als Hausgeld befinden. So könnte man nun die Rechnung aufstellen:
Immobilienwert = Kaufpreis – Hausgeld = 1.000.000€ – 1.000.000€ = 0€.
Die Immobilie wird also verschenkt, da der Kaufpreis bereits durch das Geld in der Haushaltskasse abgedeckt ist. Nun ist die Frage: Kommen wir an die Kohle in der Haushaltskasse ran? Wenn wir nun annehmen, dass diese EINE Person, die noch die restlichen 4 Einheiten des Mehrfamilienhauses besitzt, meint, dass das Hausgeld verwendet wird, um eine riesige Statue aufs Dach des Hauses zu bauen, so ist das Geld weg und liefert keinerlei zukünftige Rendite. Man könnte auch sagen, die Kapitalallokation ist richtig schlecht. Aufgrund der absoluten Mehrheit des Hauseigentümers könnte man auch nicht dagegen vorgehen.

Gleiches gilt auch bei Unternehmen: oft sind es es Biotech-Unternehmen, die zum Teil sogar einen negativen Enterprise Value aufweisen. Die Unternehmen schütten das Geld allerdings nicht an die Anteilseigner (Aktionäre) aus, sondern verbrennen es für Forschung und hoffen den einen großen Blockbuster rauszubringen, der die Gewinne sprudeln lässt. Auch andere Unternehmen weisen zum Teil einen negativen Enterprise Value auf. Zumeist sind die Unternehmen unprofitabel und es ist absehbar, dass das Unternehmen das Geld in der Zukunft brauchen wird. Teils weisen Unternehmen einen negativen Enterprise Value auf bei denen (wie im Beispiel oben mit der Immobilie) Cash einfach gehortet wird und keinerlei sinnvolle Verwendung findet.
Und genau in diesen ganzen Fällen ist es nicht ganz sinnvoll, die Kennzahl EV/EBIT zu verwenden, um Unternehmen zu bewerten. Was nützt mir ein EV/EBIT= 2, wenn haufenweise Cash in der Bilanz liegt, dieses aber nicht sinnvoll eingesetzt wird? Ich denke, dass es in solchen Fällen deutlich sinnvoller ist, auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis zu schauen, da dieses Cash und Schulden nicht berücksichtigt. Im Übrigen kann man sich fragen, wie lange es dauern würde, sein Investment in das Unternehmen über die in den nächsten Jahren ausgeschütteten Dividenden zu decken.